Wir suchen in der Nähe der Stadtmauer einen örtlichen Bus, der uns bis zum Bahnhof bringt. Da wir aber nicht mit dem Zug fahren, sondern mit dem Flixbus, weil der um eineinhalb Stunden schneller ist, müssen wir nur noch die Haltestelle finden, von der er losfährt. Wir haben die Adresse und suchen dort vergeblich einen Hinweis oder ein Schild. Ein Tschechischer Mitleidender erklärt uns, er spräche kein Englisch oder Italienisch und natürlich kein Spanisch, was die beste Ehefrau von allen ungläubig zur Kenntnis nehmen muss, aber er fahre auch mit seiner Frau nach Siena. Also muss doch der Bus hier irgendwo wegfahren. Trotzdem wird die beste Ehefrau von allen zunehmend unruhig und versucht irgend eine logische Erklärung zu finden, warum wir vielleicht doch an der falschen Stelle stehen. Zwei Minuten vor Abfahrt kommt der Bus dann auch wirklich an und nimmt uns mit.

In Siena bleibt der Flixbus wenigstens genau vor dem Bahnhof stehen. Wieder suchen wir einen Bus, der in die Stadt fährt und finden keinen. Also zu Fuß. Wir sind ja heute noch nicht viel gegangen. Natürlich liegt Siena auf einem Hügel, wie könnte es anders sein. Doch das Hinweisschild „Center“ zeigt uns einen Weg genau in einen Gebäudekomplex hinein. Und dann kam die Überraschung. Etliche Rolltreppen hintereinander und dann Schrägförderbänder wie am Flughafen bringen uns auf eine akzeptable Höhe den Hügel hinauf.

Durch ein Tor der Stadtmauer betreten wir die Stadt. Siena hat ungefähr 55.000 Einwohner und stand schon jeher in Konkurrenz zu Florenz, politisch und künstlerisch. Siena ist eine gotische mittelalterliche Stadt, während Florenz durch ihren Renaissancestil beeindruckt.

Sienas Altstadt steht seit 1995 im Status des UNESCO Welterbes. Siena hat auch eine der ältesten Universitäten in Europa und wurde 1240 gegründet. (Wien im Vergleich dazu 1365).

Romulus und Remus waren bekanntlich die Gründer Roms. Was haben sie aber in Siena zu suchen?

Senio und Ascanio waren die Söhne von Remus und wurden von ihrem Onkel in Rom mit Mord bedroht. Die beiden flohen und nahmen die Wölfin symbolisch mit. Sie gründeten Siena und die Wölfin wurde als Sienesische Wölfin zum Symbol der Stadt.

Wir marschieren quer durch die Altstadt…

…und freuen uns auf der Piazza del Campo anzukommen.

Der Platz ist faszinierend.

Weil es mittlerweile immer wärmer wird, ziehen wir rasch weiter zu unserer Unterkunft, duschen und nehmen danach einen Mittagssnack in einer Osteria ein. Danach zieht es uns gleich wieder zur Piazza del Campo mit dem Palazzo Pubblico (dem heutigen Rathaus, das nach dem Bau, Sitz der republikanischen Regierung war) und dem Torre del Mangia, einem 102 Meter hohen Turm.

Wir besuchen den Innenhof des Palastes und kaufen uns Karten für die Turmbesteigung, die wir aber erst in zwei Stunden starten können, weil aus Platzmangel immer nur kleine Kontingente zu bestimmten Uhrzeiten Einlass finden. Man hat auch nur ein Zeitfenster von einer halben Stunde für Aufstieg, Aussicht und Abstieg.

In der Zwischenzeit erzähle ich euch, wofür der Platz berühmt ist, nämlich für seine Palio´s. Palio ist ein Pferderennen, das seit dem Mittelalter zwei Mal im Jahr ausgetragen wird und das viele für eines der härtesten der Welt betrachten. Siena hat 17 Bezirke, zehn davon dürfen bei so einem Rennen, mitmachen. Und zwar die sieben die letztes Mal nicht dabei waren und drei, die durch Los bestimmt werden. Der Sieger erhält als Trophäe eine bunte Standarte, das Palio.

Außen um den Platz herum (inmitten steht das fanatische Publikum) wird ein 20cm hoher und 7,5 m breiter Sandstreifen aufgeschüttet, auf den die Reiter drei Mal den Platz umrunden müssen. Das dauert zirka 90 Sekunden. Sieger ist das Pferd, das als erstes die drei Runden bewältigt und sein Diadem noch als Zeichen für den antretenden Bezirk auf dem Kopf trägt. Der Reiter ist egal, ob er im Sattel sitzt oder verloren ging. Die Spielregeln erlauben es auch einen Ochsenziemer gegen die Konkurrenz einzusetzen, sowohl gegen den Reiter als auch das Pferd. Nicht erlaubt ist es, einen Reiter aus dem Sattel zu ziehen, was aber oft genug vorkommt. Der Missetäter wird disqualifiziert.

Der Sieg wird dann oftmals wochenlang gefeiert. Wetten werden keine abgeschlossen, weil das Unglück bringen soll. Apropos Unglück: Seit 1970 verendeten bereits 50 Pferde, da sie bei der engen Bahn und den Schlägen durch gegnerische Ochsenzieme in irgend eine Hauswand knallten.

Wir ziehen weiter und besuchen den Duomo, eine dreischiffige Basilika, deren Hauptbau aus dem 13. Jahrhundert stammt, der Turm kam erst 100 Jahre später dazu.

Es ist ein Ziegelsteinbau, der mit dunkelgrünem Serpentinit und weißem Marmor verkleidet wurde.

Da noch Zeit ist, besuchen wir das Fortezza Medicinae. Eine herbe Enttäuschung. Das Ganze ist eine Befestigungsanlage in Ziegelsteinbauweise. Mittendrin finden praterähnliche Vergnügungen statt. Deswegen hätten wir nicht hierher latschen müssen.

Dafür aber werde ich auf dem Rückweg überrascht:

Nein, das wäre wirklich nicht nötig gewesen, mir ein Museum zu widmen, aber ich nehme es als nette Geste, ebenso wie das Wappen, was man eigens kreiert hat. Wirklich nett.

Es wird Zeit zurückzukehren zur nächsten Herausforderung für mich, die Höhenangst zu überwinden. Wir begeben uns wieder zum großen Platz.

400 Stufen sind es hinauf auf den Turm, dann kann man von 81 Metern hinunterschauen, wenn die Knie nicht zu weich werden.

Da hinauf müssen wir. Es sind nur 33 Stufen mehr als auf den Wiener Stephansdom in die Türmerstube. Wobei ich sagen muss, dass der Südturm des Doms schwieriger zu besteigen ist als der Torre del Mangia hier, weil der Stephansdom eine Wendeltreppe hat, hier aber die Stufen im Geviert rauf gehen. Allerdings unterschiedlich hoch und ohne Seil zum anhalten. Rauf geht also noch, da erklimmt man die Stufen schlimmstenfalls auf allen Vieren. Runter ist dann problematischer, aber ich habe mich dann streckenweise umgedreht und bin verkehrt runter geklettert.

Also, oben angekommen, bin ich erstmal erleichtert, weil eine breite Mauerbrüstung mich nicht den Ernst der Lage erkennen lässt. Der Blick auf die Stadt ist schon wunderbar.

Und erst der Platz selbst zeigt von oben seine wahre Größe.

So, Mutprobe gemeistert, ab zum Abendessen.

Das Positive des Tages: Die Erinnerungen an den ersten Besuch vor über 30 Jahren sind wieder aufgefrischt und zurecht gerückt. Morgen geht es nach Bologna. Ich hoffe, ihr kommt mit. Gn8

1 Kommentar

  1. In Siena war ich auch schon mal, das ist aber auch bereits „ewig“ her.

    Was mir jetzt aber auffällt, das Du bereits das 2. Mal erwähnt wirst …. und jetzt sogar ein Museum. Verdächtig, verdächtig. 🤣

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